In aller Frühe wurden am 11. Sept. 2018 in Ankara der Journalist Max Zirngast verhaftet. Dieser studierte bis 2015 in Wien, seiner Heimatstadt, Politikwissenschaften. Seither ist er in der Türkei neben seinem Studium u.a. als Korrespondent für das deutschsprachige re:volt magazine und das englischsprachige Jacobin magazine tätig. Beide Zeitschriften kritisieren die Erdogan-Diktatur radikal von links.
Wie alle freien und demokratischen Medienprojekte in der Türkei,
Wie alle Menschen, welche sich für die Lohnabhängigen und Unterdrückten dieser Welt einsetzen
Wie alle Kräfte, welche die demokratische Selbstbestimmung und Gleichwertigkeit aller Menschen ins Zentrum stellen
wird der Journalist Max Zirngast stellvertrend für alle diese Menschen politisch verfolgt. Seine Verhaftung ist Teil einer grossangelegten Aktion gegen alle demokratischen Kräfte in der Türkei.
An der «Langen Nacht der Kritik» kritisierten wir die «Lange Nacht der Karriere» als Ausdruk einer Ökonomisierung der Hochschule hin zur karriereorientierte Ausbildungsstätte für den kapitalistischen (Arbeits-)Markt. Aber eine Kritik an einem Gesellschaftssachverhalt wie der Ökonomisierung der Hochschulen, welche nicht von Zeit zu Zeit auch grössere Zusammenhänge in den Blick nimmt, ist seines eigenen Anspruches unwürdig. Und eine Kritik, welche nicht die Wärme der Solidarität in sich trägt, ist zahnloses intellektuelles Ränkelspiel.
Zeigen wir uns also an einem Tag solidarisch mit den Menschen in Sengal, Kobane, Amed, Aleppo oder dem Mittelmer, welche einen Genozid oder Massenmord durch türkische Militäreinheiten, den Daesh, den Schergen Assads oder der europäischen Grenzmilitäreinheiten Frontex befürchten oder täglich erleiden müssen. Und zeigen wir uns aber auch an an Tagen wie heute solidarisch mit «nur» einem individuellen Schicksal.
Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass Teile dieser heutigen Solidaritätsbotschaft eine Kopie darstellen. Vor zwei Jahren solidarisierten wir uns mit Kerem Schamberger, einem anderen unermüdlichen Berichterstatter über die Situation in der Türkei. Diesem wurde auf Grund seiner kommunistischen Gesellschaftsvision eine Anstellung an der Uni München vom bayerischen Verfassungsschutz zeitweilig verhindert. Diese Verbindung der beiden Solidaritätsbekundungen ist nicht nur eine Reminiszenz an die persönlichen Bekanntschaft von Kerem und Max und deren gemeinsamen Fokus auf den türkischen Staat. Diese Verbindung steht auch sinnbildlich für ein politisches Kontinuum in der Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft: In einem ruhigeren Stadium wird oppositionellen, progressiven Kräften « nur » die Anstellung verhindert, in seiner autoritären Version, werden diese Menschen mit Hilfe einer politischen Gesinnungsjustiz weggesperrt. Randnotiz: Die basler Staatsanwaltschaft versucht sich zur Zeit mit der Verfolgung der Basel18 in der zweiten Variante.
Der Natur der Sache nach sind Menschen mit einer sozialistischen Gesellschaftsvision, wie Max Zirngast oder Kerem Schamberger internationlistisch orientiert und als solche eingebettet im Kampf gegen die bestehenden Verhältnisse. Die Medienprojekte re:volte magazine und Jacobine magazine, bei welchen Max mitarbeitet, haben sich über die letzten Jahre als zuverlässige und journalistisch hochstende Quellen zu eben erwähntem Konfliktgebiet verdient gemacht. Durch ihre Arbeit zeigen sie einem grossen Publikum die Bigotterie und Mittäterschaft der türkischen, europäischen , russischen oder US-Amerikanischen Regierungen. Durch diese unbeugsame internationalistische Ausrichtung werden solche Menschen Angriffsziel von reaktionären Organisationen wie den Nachrichtendiensten oder vorliegend der türkischen Regierung. Wenn wir Solidarität mit Menschen wie Max Zirngast zeigen, bedeutet das gleichzeitig immer auch Solidarität mit der Zivilbevölkerung aktuell insbesondere im mittleren Osten und Menschen auf der Flucht aber auch Solidarität mit allen progressiven Bewegungen in der Türkei, im mittleren Osten und überall.
Bevor wir zum Ende dieser Solidaritätsbotschaft kommen noch zwei Hinweise :
Am selben Morgen vom 11. September wurden auch Hatice Göz und Mithat Can Türetcen die Freiheit genommen. Diese Solidaritätsbotschaft gilt auch ihnen! Ebenso gilt diese Botschaft auch den beiden in Deutschland wohnenden Patrick K und Hozan Cane. Diese beiden hatten keine öffentliche und politische Aufmerksamkeit und ihnen wurde vom türkischen Staat prompt für sechs Jahre die Freiheit genommen. Dies versinnbildlicht auf tragische Weise, wie wichtig Solidaritätsarbeit ist. Nicht nur für die Moral der Betroffenen, sondern auch um den Handlungsspielraum der politischen Gesinnungsjustiz möglichst fest einzuschränken.
Von unnützen Gesprächsangeboten und fehlenden Stiften lautet der erste Gefängnisbrief von Max Zirngast. Dieser beginnt folgendermassen:
«Ich bin euch allen zu Dank verpflichtet; euch allen tausend Dank und viele Grüße. Im Angesicht eurer Freundschaft und eurer Solidarität finden sich keine Worte. Ich glaube nicht, dass ich so viel Interesse und Einsatz verdient habe.»
Das scheinen unzählige Menschen anders zu sehen.
Lieber Max.
Stellvertrend für Hatice Göz und Mithatcan Türetken, stellvertretend für alle politischen Gefangen in der Türkei und überall sei dir durch alle Gefängnismauern der Welt zugerufen: Max! Deine unermüdliches Engagement für eine Menschheitsgemeinschaft, welche auf den Werten der demokratischen und kollektiven Selbstbestimmung, der Geschwisterlichkeit und der Solidarität aufbaut, hat dich in den Knast gebracht. Aber eben jenes Engagement hat dich auch in unseren Herzen verewigt. Deswegen ist dir nicht nur unser Interesse und Einsatz sondern halt ebenso unsere tiefe Dankbarkeit und Solidarität gewiss.
Freiheit für Hatice Göz, Freiheit für Mithatcan Türetken, Freiheit für alle politischen Gefangen. Freiheit für Max Zirngast.